
Worum geht es?
Zum Ende des Sommersemesters 2025 geht die Inhaberin der Professur für Geschlechtergeschichte Prof. Dr. Gisela Mettele in den Ruhestand. Die Professur wird danach nicht neu besetzt. Dies geht auf einen Beschluss der Philosophischen Fakult?t aus dem Sommer 2022 zurück. Der Fakult?tsrat hatte sich mit zehn zu sieben Stimmen für die Verstetigung der Juniorprofessur Digital Humanities und Einrichtung einer vollwertigen Professur entschieden – und dafür, die Professur für Geschlechtergeschichte nicht wieder zu besetzen. Geschlechtergeschichte wird als Querschnittsaufgabe weiterhin in der Fakult?t gelehrt und erforscht.
-
Wie kommt es, dass an der Philosophischen Fakult?t eine Professur nicht wiederbesetzt werden kann?
Die Philosophische Fakult?t hat 2016 beschlossen, gemeinsam mit der Fakult?t für Mathematik und Informatik das Programm zur F?rderung des Wissenschaftlichen Nachwuchses des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zu nutzen, um zusammen die Etablierung der Digital Humanities voranzutreiben. An jeder Fakult?t wurde jeweils eine Juniorprofessur angesiedelt. Der Bund zahlt dabei sechs Jahre Juniorprofessur und nach positiver Evaluation zwei weitere Jahre eine Voll-Professur. Danach muss die jeweilige Fakult?t eine ihrer unbefristeten Lebenszeitprofessuren des Landes zur Verfügung stellen. Die Philosophische Fakult?t war sich einig, dass erst ?nach erfolgter Kandidatenauswahl die notwendigen Gespr?che über die institutionelle Anbindung“ der Professur stattfinden sollen. Der Fakult?tsrat der Philosophischen Fakult?t hat auf dieser Basis in seiner Sitzung am 29. November 2016 beschlossen, den ?Antrag auf F?rderung aus dem BMBF-Programm für den Wissenschaftlichen Nachwuchs“ zu befürworten. Mit diesem Beschluss, die Professur für Digital Humanities an der Fakult?t zu verstetigen, geht die Nicht-Wiederbesetzung einer anderen Professur einher.
-
Wie kam es, dass der Fakult?tsrat zwischen den Professuren für Geschlechtergeschichte und Latein entschieden hat?
Die Verstetigung der zus?tzlich angenommenen Professur für Digital Humanities ist naheliegend durch die Nicht-Wiederbesetzung einer Professur m?glich, deren Inhaberin oder Inhaber in den n?chsten Jahren in den Ruhestand geht. Mehrere Professuren kamen zeitlich in Frage. Eine vom Fakult?tsrat der Philosophischen Fakult?t selbst eingesetzte Strukturkommission hat als beratendes Gremium über mehrere Monate getagt und Gespr?che mit Instituten geführt. Sie kam zu dem Schluss, dass zwei Professuren der Anglistik und eine Professur für Interkulturelle Kommunikation aufgrund der hohen Studierendenzahlen und Auslastung ausgeschlossen sind. Auch die Professur für Slawische Literaturwissenschaft wurde ausgenommen, da das Fach Slawistik ohne diese nicht mehr studierbar w?re. Es blieben eine Professur für Latinistik und die Professur für Geschlechtergeschichte, die von der Strukturkommission ?schweren Herzens“ zur Diskussion gestellt wurden.
-
Wie lief das Verfahren der Philosophischen Fakult?t ab?
Die Diskussion und Abstimmung erfolgte in dem dafür zust?ndigen Gremium, dem Fakult?tsrat der Philosophischen Fakult?t am 12. Juli 2022, in einer hochschul?ffentlichen Sitzung per Videokonferenz. Das Historische Institut und das Institut für Altertumswissenschaften wurden frühzeitig informiert, hatten Stellungnahmen für die Strukturkommission bzw. den Fakult?tsrat verfasst und auf Rückfragen der Strukturkommission geantwortet, sodass die anstehende Entscheidung in den Instituten seit l?ngerem bekannt war. Der Tagesordnungspunkt wurde auf Wunsch eines der betroffenen Institute kurzfristig noch aus dem geschlossenen Teil der Sitzung in den hochschul?ffentlichen Teil verlegt, nachdem die juristische Frage gekl?rt war, dass es sich um keine Personalentscheidung handelt, die per Gesetz nicht-?ffentlich zu sein hat. Durch das Format der Videokonferenz war die Teilnahme zus?tzlich erleichtert. An der Diskussion im Fakult?tsrat haben sich 72 Personen beteiligt, bei 20 stimmberechtigten Anwesenden. Es gab zahlreiche Stellungnahmen von Studierenden, Promovierenden, Mittelbauvertretungen, Professorinnen und Professoren und stimmberechtigten Fakult?tsratsmitgliedern, die sich engagiert für den Erhalt beider Professuren einsetzten.
Das Verfahren wurde im Anschluss ausführlich durch das Rechtsamt der Universit?t geprüft und als formal ordnungsgem?? bewertet.
-
Wie waren Studierende am Verfahren beteiligt?
Den Studierenden stehen vier Pl?tze im Fakult?tsrat zu. Zwei der Pl?tze waren zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht besetzt, da sich nicht genügend Studierende für den Fakult?tsrat zur Wahl gestellt hatten.?
In der Strukturkommission gab es ein studentisches Mitglied. Dieses wurde mehrfach eingeladen und über den Sachstand der Diskussion informiert, hat die Teilnahmem?glichkeit an den Sitzungen jedoch nicht wahrgenommen oder nicht wahrnehmen k?nnen.
-
Wieso wird die sogenannte ?solidarische L?sung“ nicht umgesetzt?
Innerhalb der Fakult?t wurden zwei Modelle diskutiert. Zum einen ging es um die Frage, ob nicht auch Professuren für eine Nichtnachbesetzung in Frage k?men, deren Inhaberinnen oder Inhaber erst zu einem sp?teren Zeitpunkt pensioniert werden. Das h?tte eine ?berbrückungsfinanzierung erforderlich gemacht. Dazu wurde überlegt, für einen Zeitraum von wenigen Jahren für alle Professuren, die in dieser Zeit nachzubesetzen sind, eine befristete Stellensperre einzusetzen und daraus die ?berbrückung bis zum Ruhestand des Stelleninhabers oder der Stelleninhaberin zu finanzieren. Davon w?ren jedoch sowohl stark nachgefragte Lehramtsf?cher wie Anglistik betroffen als auch Kleine F?cher, die dadurch nicht studierbar w?ren. In der Diskussion war allerdings auch der Vorschlag, die Gesamtfinanzierung der Professur auf alle Institute umzulegen. Dazu h?tte man das Instrument einer fakult?tsinternen Stellensperre über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren anwenden müssen. Diese L?sung stellte sich schnell als undurchführbar heraus und h?tte die Fakult?t vor nicht l?sbare technische und praktische Probleme gestellt.
-
Wie steht die Universit?t zu Geschlechtergeschichte?
Geschlechtergeschichte ist aus Lehre und Forschung nicht wegzudenken. Geschlecht kennzeichnet als analytische Kategorie ein wesentliches Prinzip gesellschaftlicher Organisation. Gerade mit Blick in die Geschichte ist erkennbar, dass ein stetiger Aushandlungsprozess zwischen und innerhalb der Geschlechter besteht. Geschlechtergeschichte legt den Blick auf den historischen Wandel und auf kulturelle Auspr?gungen von Geschlechterverh?ltnissen.
Forschung und Lehre zu Aspekten der Geschlechtergeschichte muss aufgrund ihrer Bedeutung von zahlreichen Historiker*innen betrieben werden und kann nicht nur an Professuren mit der speziellen Bezeichnung Geschlechtergeschichte gebunden werden. Hierzu bestehen unterschiedliche Einsch?tzungen an der Universit?t: w?hrend die einen der Auffassung sind, dass Geschlechtergeschichte auch ohne die Wiederbesetzung der Professur mit diesem Namen in Lehre und Forschung an der Universit?t Jena einen sehr breiten Raum einnimmt, sind andere der Meinung, dass es weiterhin eine spezialisierte Professur ben?tigt, die Geschlechtergeschichte im Namen tr?gt.
-
Ist die Professur für Geschlechtergeschichte in Jena einzigartig?
Die Professur für Geschlechtergeschichte in Jena ist in Deutschland die einzige, die Geschlechtergeschichte explizit im Namen tr?gt. Geschlechtergeschichte hat jedoch in der Geschichtswissenschaft einen allgemein hohen Stellenwert und wird von zahlreichen Historiker*innen durch alle Epochen (z. B. in der Alten, Mittleren und Neueren Geschichte) hindurch betrieben - auch weiterhin in Jena.
-
Wieso wird nicht einfach eine zus?tzliche Professur geschaffen?
Die Zahl der Professuren an der Universit?t Jena ist vom Land vorgegeben. Eine zus?tzliche Professur müsste vom Land geschaffen und finanziert werden oder die Mittel dafür gestiftet oder gespendet werden.
-
Wie kann eine Fakult?t eine Stiftungsprofessur einrichten?
Der Fakult?t müssten für eine ausfinanzierte Professur Mittel in H?he von ca. 5 bis 6 Millionen Euro über den Verwendungszeitraum von ca. 20 Jahren zur Verfügung gestellt werden.?